Wochenendkurs Bodenarbeit intensiv, Juli 2016
so hat Wolfgang Marlie sein Kursangebot beschrieben:
„Für mich ist die Bodenarbeit das, was für den Piloten der Flugsimulator ist und er sagt, dass er sich heute auf kein Pferd mehr setzt, dem er nicht vorher seine Art
sich auszudrücken vom Boden aus nahe gebracht hat. In diesem Kurs zeigt er erst die Basis seiner Grundkommunukation und geht dann ins Detail: Wie erkläre ich meinem Pferd jeden einzelnen Schritt? Wie
dirigiere ich selbst kleinste Bewegungen oder auch „nur“ die Blickrichtung? Und wie mache ich es dabei so neugierig auf mich und meine Wünsche, dass es für Außeneinflüsse keine Zeit mehr hat? Nach
der Einführung tauchen die Teilnehmer selber in die Kommunikation mit Pferden ein und überprüfen beispielsweise im Wald oder bei einer Klettertour, wie gut ihre (Schul-)pferde sie verstehen.
Ein detailverliebtes Bastelwochenende für Pferdefreunde, die es ganz genau wissen wollen. „
Das hörte sich für mich suuuper interessant an und ich erwartete einiges. Was dann aber tatsächlich geboten wurde, hat alle meine Erwartungen übertroffen.
Wir waren eine sehr nette Gruppe von acht Teilnehmern. Sechs davon, darunter ich, arbeiteten mit Schulpferden, zwei hatten ihre eigenen Pferde mitgebracht.
Der Tag 1 begann um 9:00Uhr mit einer Gruppe von drei Schulpferden die sich frei laufend auf dem Platz bewegten. Wir beobachteten sie, und es wurde darüber gesprochen wie man sich am günstigsten und gefahrlosesten einem der Pferde nähert, kurz mit ihm arbeitet und sich die anderen dabei fern hält. Hört sich einfach an, oder? Aber wie oben beschrieben ist der Kurs detailverliebt.
Wer ist der ranghöchste der Gruppe, wer der rangniedrigste? Wen wähle ich aus und warum. Nimmt man zur Bestechung Leckerli mit oder besser nicht? Wie reagiert das Pferd mit dem ich arbeiten möchte mir gegenüber und den anderen Pferden gegenüber und was machen die zwei anderen? Wie muss ich mich verhalten um IMMER den Überblick über alle Pferde und evtl. gefährliche Situationen zu behalten? Ein toller Kursbeginn, kann man immer brauchen wenn man mit Pferden zu tun hat.
Als nächstes wurde mit dem Pferd eines Teilnehmers gearbeitet. Es wurde auf den Platz geführt und frei gelassen. Das Problem, der Kursteilnehmer hatte ein zweites Pferd mit dabei welches im Stall geblieben war. Die beiden wieherten sich ständig zu und es kehrte keine Ruhe und keine Konzentration ein. Die Situation war recht brenzlig und musste entschärft werden. Positiv fand ich, das nun nicht auf biegen und brechen mit dem Pferd gearbeitet wurde weil Wolfgang ja ein Zauberer ist, sondern eine andere Lösung gefunden werden musste. Also blieb nur, die Stute die im Stall geblieben war zu holen und mit im Ring zu führen. Das klappte besser, aber noch nicht gut. Der Wallach hatte die Basis der Grundkommunikation nach Marlie Art, anders als die Schulpferde hier noch nicht perfekt verinnerlicht. Er wurde nun am Halfter von zwei Personen geführt welche die Hilfen gemeinsam gaben und der Wallach begann zu verstehen.
In den Pausen wurden wir vom Marlie Team mit Tee und Keksen verwöhnt und fachsimpelten. Und es gab ein Video zu sehen. Eine Warmblutstute mit zwei Hengsten im Auslauf. Einem Warmbluthengst, und einem Shetty Hengst. Wir beobachteten gespannt was passierte. Und es war tatsächlich der Knirps der den Großen in Schach und von der Stute fern hielt. Es spielt also in der Kommunikation mit Pferden keine Rolle wie groß man ist, sondern wie man sich durch Körpersprache verständlich machen kann. Und was der Kleine wollte, daran ließ er keinen Zweifel aufkommen.
Diese Zeilen habe ich gestern geschrieben. Was mir eben passiert ist glaubt man nicht.
Eine Einstallerin hat ihren Hengst angebunden um ihn abzuduschen.
Er ist wunderschön, groß, schwarz, glänzend. Plötzlich reißt er sich los, trabt angeberisch jeder Grand Prix Lektion gerecht werdend über den Hof zu einem Paddock in dem ein weiterer Hengst steht. Beide Hengste sind der Meinung der Chef des Hofes zu sein, dabei ist das eindeutig History :-)). Sofort geht ein Gerangel los, die Zwei stehen sich auf zwei Beinen gegenüber und hauen nach vorn aus. Ich habe keine Ahnung wie ich vor dem Kurs genau reagiert hätte. Vermutlich hätte ich erst mal eine Longierpeitsche geholt. Dann wäre es zu spät gewesen. Jetzt dachte ich, auseinander mit den beiden bevor der Zaun in Trümmern liegt und die Streithähne direkten Kontakt bekommen. Was würde Wolfgang jetzt sagen? Der Kurs geht im Schnelldurchlauf durch meinen Kopf. Gerade kein passendes Werkzeug zur Hand, griff ich nur nach einem Strick der am Paddock hing und dachte: „ Präsent sein, Eindruck machen, ich bin jetzt die, die das Sagen hat, auf meine Sicherheit achten.“ Mit dem Strick im Kreis schwingend, mit dem Fuß auftretend und laut rufend näherte ich mich dem Schwarzen und versuchte zu erkennen, ob ich wirklich Eindruck mache. Lächerlich eigentlich, der Hengst war gefühlte fünf mal so groß wie ich und wollte einen Konkurrenten angehen. Aber....leicht wich er zurück und kam auf seine vier Beine. Ich verstärkte meine Bemühungen. Drei mal bekam ich ihn weg vom Paddock, drei mal kam er wieder zurück und ich stand zwischen den Hengsten. Dann waren wir auf einmal zu viert und die Besitzerin konnte den sonst sehr umgänglichen Rappen am Halfter nehmen. Alles war gut ausgegangen. Und ich schreibe oben noch: „Toller Kursbeginn, kann man immer brauchen“ Ich bin so froh, dass der Zufall mich ins Marlieland geführt hat und ich die Menschen dort kennen lernen durfte.
So, weiter im Text. Tag 2 des Kurses.
Ach so, ich hatte gestern zwischen den Kursstunden noch Reitstunde. Tatsache! Habe noch nie auf so eine Weise ein Pferd geritten. Bin aufgestiegen, Zügel in die Hände, Bauchnabel rein, Schultern zurück, Bein lang ( so gut wie es eben ging, bin froh mich nicht gesehen zu haben ) ....... Wolfgang: „Laß die Zügel lang“ „ die sind lang“ „ noch länger“ „ dann habe ich keine Kontrolle mehr“ „ja, das habe ich mir bei dir schon gedacht“
Ja so war es. Ich lernte ein Pferd zu reiten, welches nach Marlie Art ausgebildet war. Stimmliche Kommandos wie bei der Bodenarbeit, Gerte leicht am Pferd anlegen und die brave Stute ließ sich dirigieren. Ohne Zügel!!!
Nochmal, Tag 2: Jeder bekommt ein Pferd in die Hand, darunter auch die Privatpferde. Wir stellen uns auf dem Reitplatz im Kreis auf und müssen erst einmal dafür sorgen, dass die Pferde ruhig und mit dem Kopf zur Zirkelmitte stehen mit genügend Abstand zum Nachbarn und durchhängendem Strick. Kleine Übungen werden uns abverlangt, den Kopf des Pferdes senken bis in den Sand , 15 Sekunden verweilen und wieder hochnehmen. Vorwärts und rückwärts gehen lassen, Dehnungsübungen, den Pferdekopf zum Bauch drehen, die Pferdenase mit dem Schweif kitzeln, Blickrichtung dirigieren u.s.w. Da jede Übung bis ins kleinste Detail besprochen und erklärt wurde, für Zuschauer nicht sehr spektakulär. Für uns super interessant. Auch ein vierjähriges Gastpferd machte gut mit, besonders nachdem Wolfgang es mal an der Hand hatte und ihm erklärte warum es keinen Sinn macht ständig mit dem Kopf an der Besitzerin zu schubbern. Ich werde nie vergessen wie die Besitzerin zur Stute sagte: „Lass das, ich sehe was du vor hast!“ Wolfgang hat sich fast im Sand gekugelt vor lachen. Und dann kam das Beispiel mit dem Sturm im Wald. „ Sag mal einem Baum der sich im Sturm in deine Richtung biegt , ich sehe was du vorhast. Meinst du er fällt dann nicht auf dich?“
Die Privatpferde kamen dann vom Platz, den Schulpferden wurden die gebisslosen Trensen abgenommen und sie wurden frei gelassen. Sofort kam Leben in die Bande. "Wer traut sich zu die sieben Pferde auf dem Platz so zu dirigieren, dass sie alle in der gleichen Gangart auf der gleichen Hand laufen?" Oh, spannend wurde es auch noch. Es meldete sich spontan eine junge Dame die mit ihren Eltern hier war. Es wurde immer rasanter, aber super gut bewältigt.
Nur die Mama konnte nicht wirklich zusehen. Verstehe ich voll und ganz. Wäre mir mit meiner Tochter auch so gegangen. So sind sie halt, die Mütter.
Dann war Mittagspause und ich machte mich mit mit Kursteilnehmerin Gabi auf zum Fisch essen. Es war nach der Stärkung und wieder fachsimpeln noch etwas Zeit bis zum nächsten Block und ich sah beim Verladetraining mit Sascha (die Ruhe in Person) zu. Die Pferde hier bekommen beigebracht allein auf den Hänger zu gehen. Der Führer bleibt auf der Rampe stehen, gibt ein Kommando : „Einsteigen“ ein mal schnalzen ( das Kommando für Schritt aus der Bodenarbeit) und das Pferd geht bestenfalls in den Hänger, mit Strick über dem Hals. Bei Neulingen kann das eine Stunde dauern oder vier Stunden, oder ... Man kann auch mal eine Gerte anlegen, mehr aber nicht. Ist es vom Pferd einmal verstanden, ist es sensationell nur „einsteigen“ zu sagen, zu schnalzen und Pferdchen ist verladen.
Den Abschluss des Kurses machte Wolfgang mit dem Wallach Magic. Wir machten es uns am Reitplatz bequem wo schon wieder Tee und Kekse warteten und Wolfgang zeigte uns Auszüge aus seiner Bodenarbeit die uns nahezu perfekt erschien.
Bei allen Kursteilnehmern hat das Wochenende einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Man muss diese vielen Erfahrungen und Erlebnisse erst mal einige Zeit verarbeiten. Ich habe mitbekommen, wie Anrufe von zu hause kamen. Man solle doch mal erklären wie es so ist beim Kurs. Es war nicht möglich viel zu erklären. Was wir an Wissen vermittelt bekommen haben, müssen wir erst selbst verarbeiten und abspeichern.
Hier ein paar Worte von Sofia König:
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Wolfgangs Art das Verhalten von Pferden zu erklären und auch dann noch positiv bei einem Pferd zu sein wenn es schwierig ist, ist wohl, was mich am meisten berührt hat …
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Klar, da gibt es dann auch Situationen die vielleicht nicht glitzern und unangenehm sind, wo andere meinen, das müßte jetzt so oder so gehandhabt werden. Und dann im Marlieland sein und tief durchatmen können, weil es eben doch wichtig ist, das Pferd seine Meinung sagen zu lassen, das Pferd ein Pferd sein lassen und nicht zum Befehlsempfänger zu degradieren.
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Dieser Kurs hat mir nochmal Mut gegeben bei mir zu bleiben und Wege aufgezeigt, die ich gehen kann und das es mehr auf den Weg ankommt als ein scheinbar vorgefertigtes, vorzeigbares Ziel
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Grundsätzlich liebe ich es im Marlieland zu sein, ob mit Kurs oder ohne, meistens bin ich ein ausgetrockneter Schwamm, der sich vollsaugt um dann wieder in einer Pferdewelt einzutauchen, wo Pferde nicht immer soviel Verständnis erhalten
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Ich nehme auch sehr viel Kraft mit, um auf dem Weg den ich eingeschlagen habe auch weiterzugehen.
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Wolfgang zu erleben, auch wie er bereitwillig sein Wissen teilt und es schafft einen selbst etwas herauszufinden zulassen, ist für mich ein sehr großes Geschenk
Liebe Sofia, du sprichst mir aus der Seele.
Liebes Marlie Team, vielen Dank für dieses kleine Paradies auf der Erde,
besonders auch an Kari für ihr immer offenes Ohr und Verständnis.
Eure Conny