16.Oktober2014:  Mein kleiner Bericht wurde mit der facebook Seite von Marlies verlinkt. Vielen Dank dafür und für die vielen positiven Kommentare. Antworten kann ich nicht drauf, denn ich bin kein facebook Nutzer. Habe aber alles aufmerksam gelesen ;-) Danke

 

 

 

Pferde wie von Zauberhand bewegt

 

Was war eigentlich meine Motivation die Reiterpension Marlie zu besuchen? Ich sah einen kurzen Fernsehbericht im NDR über Wolfgang Marlie und upps, schon wieder die Pension Marlie in pferdia -TV. Ich wurde neugierig, fand die Art Pferde zu bewegen und mit ihnen umzugehen außergewöhnlich und für mich passend. Das musste ich mir ansehen. Gesagt, getan und mein Aufenthalt war gebucht.

Mein Mann Peter begleitete mich zu meiner Freude.

 

Wir kamen an, stiegen aus dem Auto und meldeten uns im Büro an. Kari Marlie empfing uns herzlich, und mit ein paar Regeln. „Wir duzen uns hier alle, Frühstück gibt es von 8:00 Uhr bis 9:30 Uhr . Zu Abend essen wir gemeinsam um 18:00 Uhr. Um ca. 4 Minuten vor 18 Uhr ertönt ein Gong, zwei Minuten später sitzen alle mit gewaschenen Händen am Tisch“ Aaaajaaaa, gut!!! Wir sind anpassungsfähig und wenn das hier so ist, dann ist es so!! Schnell haben wir es schätzen gelernt mit einer netten Truppe gemeinsam am Tisch zu sitzen und für mich ist es absoluter Luxus nicht kochen zu müssen und auch noch das Frühstück serviert zu bekommen. Kari und ihr Team sind bemüht jeden Wunsch zu erfüllen. Man fühlt sich schnell wie zu hause, so ist es auch gewollt.

 

So, zu den Pferden. Da ich von Natur aus sehr skeptisch bin, buchte ich natürlich nicht gleich eine Stunde. Zu aller Erstaunen! Die Medien können einem viel erzählen, das weiß ich aus eigener Erfahrung sehr gut. Nein, mein Bild musste ich mir selbst machen. Erwartungsvoll machte ich mich auf den Weg zum Reitplatz.

Es waren heute zwei junge Frauen mit ihren Pferden angekommen. Die Pferde kannten sich und wurden zusammen auf dem umzäunten Reitplatz frei gelassen. Es sollte eine Trainingsstunde mit Wolfgang werden.

Er sah sich die Pferde und ihr Verhalten einen Moment an und bat dann die Eigentümerinnen ihre Pferde, zwei Stuten, im Zirkel über den Platz zu bewegen ohne in das Halfter zu fassen. Ich fand, die beiden machten das super. Denn die Stuten folgten zeitweise ganz gut. So wie man das halt kennt. Wenn die Pferde das Interesse verlieren und den Sinn nicht einsehen, folgen sie eben nicht mehr. Die Pferde werden getrennt in zwei Abschnitte des Reitplatzes. Wolfgang zeichnet mit dem Absatz seiner Schuhe ein kleines Rechteck in den Sand, ca. 1m x 1,50m. „Stell Dein Pferd da rein, wie ist mir egal. Nur nicht in das Halfter fassen“ Eine schier unlösbare Aufgabe für die überraschte Besitzerin. Es klappte natürlich auch nicht. Wolfgang: „Darf ich es mal versuchen?“ Natürlich durfte er, und ein paar Minuten später, „ so, jetzt guck mal wo Dein Pferd steht“

Na, wo stand es ? Genau im Rechteck, mit allen vier Hufen!! Meint Entschluss stand jetzt fest, mit dem Mann möchte ich auch arbeiten. Ich möchte mit Pferden tanzen, oder Pferde wie von Zauberhand bewegen wie es hier heißt.

 

Wolfgang sah mich am Reitplatz stehen, kam auf mich zu und wir begrüßten uns kurz. Hatten uns noch nicht persönlich kennen gelernt. Seine Frage dann an mich, „Wo kommt ihr her und warum seid Ihr hier?“ Jetzt schnell alles was ich auf dem Herzen hatte kurz in die richtigen Worte packen. „Ich möchte meine Pferde auch ohne Reitergewicht bewegen, sie trainieren und ihnen Abwechslung bieten. Nicht nur an der Longe um mich herum laufen lassen. Das können sie perfekt. Auch locker und in jeder Gangart. Mal etwas anderes soll es sein.“ „ Also Entertainment“, bekam ich zur Antwort, er ließ mich stehen und ging in seine nächste Stunde. Pünktlichkeit ist hier wichtig, zu Recht wie ich finde. Abends buchte ich meine erste Stunde für den nächsten Tag.

 

Ja und was soll ich sagen. Ich dachte, jetzt bekommst du gezeigt wie man Pferde wie von Zauberhand bewegt. Pustekuchen. Ich wurde an meine Grenzen gebracht und habe wahnsinnig viel dabei gelernt. Dann fange ich mal an zu berichten.

Ich war hier übrigens „die mit dem Entertainment :-))“

 

Zunächst wurde „mein Pferd“ aus einem Paddock geholt in dem etwa 10 bis 12 weitere Pferde standen. Wolfgang rief den Wallach beim Namen „Karim“ und Karim kam. Alle anderen blieben auf ihrem Platz. Allein das hatte ich noch nicht gesehen. Aber Wolfgang meinte es sei Glück gewesen, Karim würde das nicht immer machen. Trotzdem, ich fand es toll. Wir gingen in die Reithalle und da begann mein Elend.

Ich stehe mit Karim in der Bahn, er furchtbar gelangweilt, mich völlig ignorierend, die Augen halb geschlossen und ab und an gähnend. Ich soll ihn ohne Hilfsmittel wie Peitsche, Gerte oder was auch immer etwas bewegen und dann in das kleine Rechteck stellen. Da war es wieder, das verflichst Rechteck. Ich versuche mein Bestes, mache mich mit ihm bekannt, locke ihn, stupse ihn, komme von hinten mit erhobenen Armen. Er steht wie eine Statue und langweilt sich.

Wolfgang sitzt in der Ecke und sagt, „Was denkst Du denn warum er Dir folgen soll. Jeden Tag kommen irgendwelche Leute die er nicht kennt, betatschen ihn weil sie ein paar Euro dafür bezahlen, fuchteln mit den Armen herum, flöten irgendwelche Worte die er nicht versteht und was noch so alles, warum sollte er Dir folgen??“ Dann nimmt er mich in den Arm und tanzt mit mir über den Platz, vorwärts, rückwärts, mit Drehung … und sagt: „Warum hast Du das jetzt mit mir gemacht?“ Ich: „weil Du mich geführt hast“. Dann verbeugt er sich, küsst angedeutet meine Hand und sagt: „ hast Du vielleicht auch etwas Freude daran gehabt?“ Ich „ja“, ( ich stehe auf höfliche Männer mit guten Manieren) Er „Genau, mach das mit dem Pferd!“ und setzt sich wieder in seine Ecke. Ich versuche alles, Pferd steht wie angewurzelt und ich verzweifele. Wie viele Jahre habe ich schon mit Pferden zu tun? Reagieren meine Pferde auf mich? Ich dachte ja. Das tun sie auch, aber nicht immer. Manchmal, wirklich ganz selten!!! wenn ich mit meiner Stute auf dem Weg zur Wiese bin, bleibt sie stehen und frisst. Das ist nicht gut. Ich soll mich interessant für die Stute machen. So interessant, das es ihr egal ist ob neben uns saftiges Gras steht. Sie soll mir folgen, und zwar mit Freude. Ich denke „Na toll, wie soll ich History dazu bringen mit Freude an ihren geliebten Walnussbaumblättern vorbei zugehen?????“ Wolfgang meint, da muss ich durch. Bin ja schließlich weit genug dafür gefahren. Dann bewegt er Karim der total wach wird wenn Wolfgang sich nähert, drei Schritte vor, zwei Schritte rückwärts, drei Schritte vor. Ich staune, will das auch können. Bin aber Lichtjahre davon entfernt.

 

Tag zwei: Mein Karim ist heute mit mir getrabt, stehen geblieben, rückwärts gegangen. Bin stolz wie Oskar. Natürlich bin ich nicht allein drauf gekommen wie ich ihn bewegen kann. Die entscheidenden Hilfen kamen von Wolfgang. Wer jetzt meint, ich könne ein Erfolgsrezept weitergeben oder Tricks wie es funktioniert, der braucht an dieser Stelle nicht weiter lesen. Das Wissen und die Erfahrung von Wolfgang Marlie kann man nicht nach ein paar Stunden weitergeben. Das wäre vermessen von mir. Ich habe nur erfahren, was alles geht, was alles möglich ist. Und das ist wahnsinnig viel, wenn man sich die Mühe machen will immer wieder zu üben, auszuprobieren und verstehen zu lernen wie Pferde denken. Fast schon wäre ich vor Glück und weil ich dachte, jetzt kann ich es, übermütig geworden. Sollte Karim nach der Stunde wieder in sein Paddock bringen. Ohne Strick und Halfter natürlich. Unterwegs hätte ich ihn fast verloren. „ Wolfgang, Deine Schülerin braucht Hilfe!“ Man stößt immer wieder an seine Grenzen. Aber es macht Lust auf mehr, auf viel mehr.

 

Jeden Tag lerne ich etwas Neues. Selbst mein Mann, der das im Grunde alles für Tüddelkram gehalten hat, lauscht dem Vortrag von Wolfgang und Rieke zu ihrer DVD „Pferde wie von Zauberhand bewegt“ und wie sie entstanden ist, und sagt jetzt: „Da hast Du dir aber mächtig etwas vorgenommen für zu hause“ Das stimmt wohl.

 

Abends sind wir alle todmüde. Der Kopf schwirrt vor neuen Informationen und Eindrücken die man alle verarbeiten und speichern möchte. Aber es sind zu viele. Um 20:30 Uhr liegen alle im Bett denn hier kann kaum noch jemand lesen oder sich beschäftigen ohne das die Augen zu fallen. Wir haben beim gemeinsamen Abendessen schon sinniert, ob Kari Schlafmittel ins Essen tut damit sie nach dem Essen ihre Ruhe hat. Wir sind schon ein lustiges Völkchen. Unseren Pferden wollen wir Stunden mit den Trainern hier auf DVD aufnehmen und allabendlich vorspielen. So lernen sie vielleicht schneller, mit Ohrstöpseln natürlich, damit die anderen Pferde nicht gestört werden. Ja, so ist das Leben auf dem Reiterhof Marlie. Für mich eine sehr bereichernde Zeit die ich wiederholen werde.

 

Tag drei. Ich soll Karim rückwärts bewegen, eine halbe Zirkelrunde. „Wie?“ „Das ist mir egal, Du kannst ihn an den Ohren oder am Schweif ziehen, ihn rollen oder Schubkarre mit ihm fahren. Hauptsache er steht nachher da hinten!“ Und zeigt auf die andere Zirkelseite. Okay, ich habe es geschafft!! Ich habe es geschafft!! Ohne Strick und Halfter, ohne brüllen, ohne Gerte, ohne alles.

Und ich habe heute viel über mich selbst gelernt. Menschen die Pferde führen wollen, müssen eine Mischung aus Männlein und Weiblein sein, beides in sich vereinen. Die weibliche Seite ist die beschützende, behütende, für alles sorgende. Die männliche Seite ist die des Machos. Er bestimmt wo es langgeht und zwar jetzt und gleich. Ich habe zu viel von der weiblichen Seite, eigentlich logisch, oder? Wenn ich an den Macho in mir denke, bekomme ich einen Kloß im Hals. Wie soll ich den rüber bringen? Vielleicht klappt es morgen.

 

Tag vier. Ich weiß nicht wie ich den Unterricht heute in Worte fassen soll. Es wird nicht funktionieren. Es ist nur ein Versuch. Am Ende bin ich ganz still, kann nichts mehr sagen. Peter fragt, „alles in Ordnung?“ Ich kann nicht sagen was in mir vorgeht, nicke nur. Zu viel ist in meinem Kopf.

Ich soll Karim longieren, mit Halsring und Longe. Glaube es funktioniert denn Karim geht Schritt und Trab um mich herum. „Stop! Das ist so longieren wie zu hause. Wo bleibt das Lob? Wir machen etwas Neues. Mach Dich für das Pferd interessant, zeig ihm, dass er Dir vertrauen kann.“ Halsring und Longe kommen weg. Ich lerne Karim in aller Ruhe in verschiedene Richtungen zu schicken. Dann soll ich ihn angaloppieren lassen, nur angaloppieren und mich dann in die Mitte stellen, die Augen schließen und bis zehn zählen. Ich schaffe es, nur mit meiner Körpersprache die das Pferd versteht, ohne stimmliches Kommando. Das mache ich drei bis vier mal. Wolfgang sagt, „guck wie er Dich jetzt anschaut.“ Keine Spur mehr von Langeweile, die Ohren sind gespitzt, die Augen hellwach, er beobachtet mich, wartet was kommt. Wir galoppieren ein fünftes Mal an, meine Hilfen werden immer weniger, das Pferd versteht mich. Ich stehe in der Mitte und tue nichts. Karim kommt von hinten, nimmt den Kopf über meine Schulter, sucht Kontakt, bläst in meine Haare. Ist das der Karim von letztem Montag? Wolfgang sagt: „ ist das nicht berührend?“ Ja ist es, und ich kann es kaum sagen, meine Stimme ist fast weg. Meine Stunde ist zu Ende, aber ich möchte wissen, ob Karim jetzt auch mit mir antrabt. Oder nur galoppiert weil er gelernt hat, dass er es jetzt tun muss. Ich gebe eine vorsichtige Hilfe und Karim trabt!!!

Ich bekomme das größte Lob was ich mir vorstellen kann. „Das ist mit Pferden tanzen, Du kannst es."

Ich kann es noch lange nicht, falle immer wieder in alte Muster. Aber ich habe eine Ahnung von dem bekommen, was möglich ist.

 

Klingberg im Oktober 2014